„Aber Gott war da.“
Ivar Lissner
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
manchmal sind Erinnerungen richtige Glücksbringer, selbst wenn sie eigentlich gar nicht sooo toll sind. Für mich gehört dazu der erste ökumenische Gottesdienst, den ich in Spremberg feiern durfte. Es gehört zum Sinn dieser ökumenischen Gottesdienste, dass viele Texte im Wortlaut (in jeweiligen Sprachen) überall auf der Welt gelesen und gebetet werden.
Pfr. Jakob Werdin kannte ich schon, Pfr. Joklitschke noch nicht. Jakob und Pfr. Joklitschke kamen ganz schnell und routiniert auf die Sachfragen zu sprechen: „Wer liest was? Sind noch Absprachen mit dem Chor nötig?“, alles sehr professionell. Dann kamen wir zu dem Punkt: „Wer predigt?“
Pfr. Joklitschke schlug vor: „Wir alle drei!“.
Jakob: „Dann hat jeder nur drei bis vier Minuten, das schaffen wir nicht.“ – Stille. –
Pfarrer Joklitschke: „Doch, Vater – Sohn – und Heiliger Geist. Sucht euch was aus, ich übernehme dann den dritten Part.“
Und das hat tatsächlich geklappt! Wir waren inhaltlich auf einer Ebene und sogar das Zeitlimit hat gestimmt. Für mich war das ein kleines Wunder. Bis heute bin ich überzeugt, es war die gemeinsame christliche, seelische Kraft – eben der Heilige Geist – der dies möglich gemacht hat. Seelische Kraft, jenseits aller Sachfragen, die uns tröstet, trägt und uns Gott näher bringt. Es wurde ein rundum gelungener Gottesdienst.
Mir fiel das alles bei einem Zitat ein, das ich schon als Zitat gut finde. Aber am besten ist der Buchtitel, aus dem das Zitat stammt. Zunächst mal das Zitat. „Keine andere Ideologie, kein «Ismus», keine Tyrannei, keine Diktatur, keine heilbringende Versorgung, kein Bild dauert ewig an. Das lehrt die Geschichte, und das lehrt vor allem die Vorgeschichte, in deren Tiefen wir zur Stunde zu schauen beginnen. Es ist ein Zeichen völliger historischer Ahnungslosigkeit, irgendeine Staatsform, die für den freien Menschen nicht die Freiheit zu wahren versucht, für ewig und unabänderlich zu halten. Und es ist ein Zeichen mangelnder Bildung, den Menschen nur materiell helfen zu wollen, während sie so eigentümlich beschaffen sind, dass ihr größter Hunger, aber auch ihre größten Kräfte geistigen und seelischen Gebieten zugewendet sind.“
Man kann das nur für einen intelligenten Gedanken halten, aber der Buchtitel sagt noch einen wunderschönen Satz mehr. Er lautet: „Aber Gott war da“ (Ivar Lissner)
Ich wünsche uns allen am Ende dieses Kirchenjahres, dass wir all unseren Schmerz, unsere Trauer und unser Weh unter diesen Satz stellen können. Vielleicht merken wir es nicht immer sofort, dann lasst uns gemeinsam suchen, um getrost sagen zu können: „Aber Gott war da“.
Eine gesegnete Zeit wünscht Ihnen
Ihr Pfr. Wolfgang Selchow